62. Orientierungsbilanz
Die Orientierungen an der Vergangenheit und in die Vergangenheit
Es geht um die Orientierungen, die von der Vergangenheit geprägt
sind. Die Orientierungen sind "nach hinten" gerichtet: auf das
Vergangene, Gewesene und Ursprüngliche.
Die Vergangenheit ist unveränderlich. Was verändert
werden kann, sind jedoch:
- die Art und Weise, wie die Vergangenheit akzeptiert wird,
- die Art und Weise, wie die Aussöhnung mit der Vergangenheit
erfolgt,
- die Auszüge aus der Vergangenheit, die bevorzugt werden,
- die Art und Weise der bevorzugten Erinnerungen,
- die Bewertungen des eigenen Verhaltens,
- die Bewertungen der eigenen Entscheidungen,
- die Bedeutung der Vergangenheit in der Gegenwart,
- die Art und Weise des Umgangs mit den Wirkungen und
Nachwirkungen der Vergangenheit in der Gegenwart,
- die Art und Weise des Umgangs mit erkannten eigenen und
fremden "Fehlern",
- die Art und Weise, wie den Impulsen und Anforderungen der
Vergangenheit gefolgt wird oder die Gefolgschaft verweigert
wird.
Bei den Orientierungen geht es insbesondere um:
- Quellen,
- Wurzeln,
- Herkunft,
- Umfeld, Umgebung,
- erste Erlebnisse. ("frühkindliche") Prägungen,
- erste Erkenntnisse,
- erste und bisherige Erfahrungen,
- erste Erinnerungen,
- Erlerntes,
- Ordnungen.
Die Orientierungen werden vielfach begünstigt, gefordert,
legitimiert durch:
- Versprechen, Gelöbnis,
- Schwur, Eid, Amtseid,
- Ja-Wort, Zusagen,
- Anerkennung von Bedingungen, Mitgliedsbedingungen,
Allgemeinen Geschäftsbedingen,
- (eigene) Bestellungen, Aufträge, Beauftragungen,
- Traditionen, Gepflogenheiten,
- Brauch, Bräuche, Brauchtum,
- Gewohnheiten,
- (formellen) Prüfungen, Ernennungen,
- (formelle) Ausstattungen, "Zepter", Roben, Insignien.
Die Vergangenheitsorientierungen werden häufig verwendet, genutzt
und auch missbraucht, um:
- eigenes Fehlverhalten zu entschuldigen oder zu
rechtfertigen, zumindest vor sich selbst,
- eigenes oder fremdes Fehlverhalten zu verzeihen,
- Fehler und Fehlverhalten von anderen, weniger von sich
selbst, "an den Pranger zu stellen",
- sich und andere vor Fehlern, Fehlverhalten, Gefahren,
Gefährdungen und Risiken zu warnen oder gar abzuhalten,
- die Schuld bei anderen zu suchen, manchmal auch bei sich
selbst,
- erlittene Nachteile in der Gegenwart durch Vorteilnahme,
Entschädigungen, Ansprüche, Rechte und Berechtigungen
auszugleichen, möglichst über Gebühr,
- sich von Pflichten oder Verpflichtungen freizuzeichnen, weil
wegen den erlittenen eigenen Benachteiligungen bereits sehr
frühzeitig ein entsprechendes Ansinnen abzuwehren,
- die Kränkungen und Verletzungen sowie Benachteiligungen aus
der Vergangenheit aufrecht zu erhalten, damit die damit
verbundenen Nutznießungen erhalten bleiben,
- sich als rechtmäßiger, einziger und richtiger Erbe und
Verwalter der Vergangenheit auszuweisen und zu gebärden,
- um selbst Dritten zugefügtes Unrecht wieder gutzumachen.
Mahnungen:
Die Vergangenheitsorientierung entpuppt sich häufig als
Verweigerung, sich dem gegebenen aktuellen Leben in der Gegenwart zu
widmen und zu stellen. Die Personen und Organisationen mit einer
hohen Vergangenheitsorientierung bleiben quasi "im Geburtskanal
stecken": Sie kommen "nicht auf die Welt".