32. Urschuld und Unschuld
Urschuld (Aktiva)
Es geht um die Urschulden, von welcher es keine Befreiung oder
"Erlösung" gibt: Die Urschulden sind jederzeit von allen zu
erfüllen. Das eigene Vermögen ist vor allen anderen Möglichkeiten
zuerst zur Erfüllung der Urschulden einzusetzen. Ein besonderes Tun
ist dazu nicht notwendig: Alles erfolgt spontan.
Wird die Urschuld tangiert, zeigen sich in der Regel Emotionen,
die mitunter sehr heftig sein können. Alles Denken, Planen,
Entscheiden, Handeln und Verhalten ist und wird ausschließlich auf
die Erfüllung der Urschuld ausgerichtet.
Dem Phänomen der Urschulden kann sich durch Auseinandersetzungen
mit folgenden Thesen genähert werden:
- Die Urschulden bestehen per se. Es sind weder eine Vereinbarung,
noch ein Tun, noch eine Entscheidung, noch ein Handeln oder
Verhalten ursächlich: Die Urschulden haben keine "Ursache".
- Für die Urschulden gibt es keine (fremden) "Gläubiger" oder
"Berechtigten": Die Urschulden sich ausschließlich sich selbst
geschuldet.
- Die Urschulden werden von niemandem gefordert. Es gibt
deshalb keine Möglichkeit, sich von der Urschuld "zu befreien".
- Die "Erlösung von den Urschulden" wird häufig durch
Religionen ("Himmel", "Jenseits", "Paradies", "Nirwana")
bezeichnet. Gemeint ist nach Ansicht des Autors Heinrich Keßler
jedoch damit die Möglichkeit, die Lasten der Urschulden sich
selbst gegenüber zu erlassen und "gelassen" zu werden oder
werden zu können.
- Verfehlungen gegenüber den Urschulden können nur sich selbst
gegenüber verziehen werden.
- Verzeihung oder "Nachlass der Urschulden" ist nur sich
selbst gegenüber möglich. Dritte, insbesondere Religionen und
Weltanschauungen bieten zahlreiche Hilfen, um die "Versöhnung
mit sich selbst" (wieder) zu ermöglichen.
- Die Urschulden entstehen permanent neu und in immer anderer
Art und Weise. Es gibt keine Möglichkeiten, die Art und Weise zu
bestimmen, wie die Urschulden zumindest ein einziges Mal
"endgültig" beglichen werden könnten.
- Die Urschulden bestehen immer gleichzeitig und gleichwertig
nebeneinander und miteinander. Den jeweiligen Moment beherrschen
jedoch immer wieder wechselnde Urschulden.
- Die Urschulden sind immer selbst zu erfüllen. Es gibt keine
Möglichkeiten, die Urschulden an Dritte zu delegieren oder von
ihnen mittragen zu lassen. Dritte können jedoch die Erfüllung
der Urschulden ermöglichen, erleichtern, erschweren oder
verhindern.
- Die Urschulden erlöschen ersatzlos mit der Existenz. Es gibt
keine "richtige" oder "falsche" Hinterlassenschaft: Nach dem Tod
gleichen die Umstände alles von selbst wieder aus: Sie heben in
Zeit und Raum auf, was die Existenz ermöglicht hat.